BGH zur Darlegung eines Schadens:
Gerichte dürfen nicht zu hohe Anforderungen stellen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer aktuellen Entscheidung die Rechte von Geschädigten gestärkt und klargestellt, dass die Anforderungen an die Darlegung von Schäden in einem Gerichtsverfahren nicht zu hoch angesetzt werden dürfen. Konkret bedeutet dies, dass Geschädigte nicht zwingend ein Privatgutachten vorlegen müssen, um Schäden substantiiert darzulegen. Vielmehr kann die Schadensermittlung durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen erfolgen, gemäß § 287 Zivilprozessordnung (ZPO). Diese Regelung erleichtert den Geschädigten sowohl die Beweisführung als auch die Darlegung des Schadens. Der BGH kam zu diesem Schluss, nachdem in einem Fall zwischen zwei Männern über Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall gestritten wurde und das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main zu hohe Anforderungen an die Darlegungspflicht des Klägers gestellt hatte. Der BGH sah darin eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück an das OLG, mit der Maßgabe, die erleichterten Bedingungen für die Darlegung von Schäden zu beachten.
Die aktuelle Entscheidung der BGHs stellt selbstverständlich eine große Erleichterung für die Geschädigten dar. Die Kosten für Privatgutachten werden in der Regel von Rechtsschutzversicherungen nicht übernommen, sondern gerichtlich vom Gericht beauftragte Gutachten.
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Sorgerechtsübertragung bei häuslicher Gewalt, OLG Frankfurt am 10. September 2024, Az.: 6 UF 144/24
Vom Kindesvater verübte häusliche Gewalt, Nachstellungen und Bedrohungen gegenüber der Kindesmutter können es im Einzelfall gebieten, das Sorgerecht für ein gemeinsames Kind auf die Mutter zur alleinigen Ausübung zu übertragen.
Von einem Kind miterlebte Gewalt gegen seine Mutter ist als eine spezielle Form der Kindesmisshandlung zu bewerten.
Das entschied u.a. das OLG Frankfurt am 10. September 2024, Az.: 6 UF 144/24.
Zum Sachverhalt:
Der Kindesvater wehrte sich gegen die Übertragung des Sorgerechts für die neun- und fünfjährigen Kinder auf die Kindesmutter. Die Kinder lebten seit der Trennung der Elternbei der Kindesmutter.
Gegen den Kindesvater wurde ein Näherungs- und Kontaktverbot für die Dauer von sechs Monaten ausgesprochen. Die Eltern einigten sich in dieser Zeit auf einen begleiteten Umgang zwischen dem Kindesvater und den Kindern.
In der Folge kam es erneut zu Auseinandersetzungen zwischen den Kindeseltern, sodass die Kindesmutter erneut den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragte.
Zur Begründung trug sie vor, dass der Kindesvater sie bei einem Besuch in ihrer Wohnung im Zuge einer Auseinandersetzung um ihr Handy im Beisein der beiden Kinder in das Kinderzimmer geschubst und zu ihr gesagt habe „Ich habe nur auf diesen Moment gewartet. Ich bringe dich um“. Dann habe er ihr ins Gesicht und in den Nackenbereich geschlagen. Er habe sich immer mehr in seine Wut hineingesteigert und sie zu Boden geworfen. Sie habe eine Hautabschürfung und eine Knie- und Rippenprellung erlitten, was im Befundbericht des ärztlichen Bereitschaftsdienstes dokumentiert sei. Er habe sie nochmals mit dem Tod bedroht und geäußert „Ich bringe dich um, dann liegst du neben deinem Vater im Grab“. Dann habe er ihr Handy gegen die Wand geschmissen. Das ältere Kind sei aus der Wohnung gerannt, um Hilfe zu holen. Das jüngere Kind habe geschrien. Das Amtsgericht hat erneut gegenüber dem Kindesvater ein Näherungs- und Kontaktverbot für die Dauer von sechs Monaten ausgesprochen.
Folglich beantragte die Kindesmutter die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge. Dem kam das Gericht nach. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge mangels ausreichender Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft nicht in Betracht komme. Eine konstruktive Kommunikation zwischen den Kindeseltern habe in der Vergangenheit nicht bestanden und bestehe auch derzeit nicht. Die Beziehung der Eltern sei seit langem konflikthaft und insbesondere dem Kindesvater mangele es objektiv an der Fähigkeit zur Kooperation und subjektiv am Willen dazu. Das Gericht habe sich in der mündlichen Anhörung einen persönlichen Eindruck davon verschaffen können, dass der Kindesvater sehr impulsiv auftrete und sich schlecht regulieren könne. Sachlichen Argumenten sei er wenig zugänglich und sei stattdessen darauf bedacht, der Kindesmutter die alleinige Schuld zuzuweisen, ohne eigene Anteile an der Situation reflektieren zu können. Die gegenüber der Kindesmutter stattgefundene Gewalt räume der Kindesvater ein, führe jedoch deren Verhalten als Begründung an und bagatellisiere damit die Gewalt. Er habe keinerlei Problembewusstsein dafür, dass die Kinder mehrfach die Gewalt miterleben mussten. Bei der Regelung der elterlichen Sorge sei nach Art. 31 Abs. 1 der Istanbul-Konvention auch die eigene Betroffenheit der Mutter als Opfer häuslicher Gewalt zu berücksichtigen. Von der Kindesmutter müssten daher keine über das übliche Maß hinausgehende Anstrengungen unternommen werden, um im Kontakt zum Kindesvater ein Einvernehmen über sorgerechtliche Belange des Kindes herzustellen. Die elterliche Sorge sei der Kindesmutter zu übertragen. Sie sei seit der Trennung der Eltern die Hauptbezugsperson für beide Kinder. Es sei auch nichts ersichtlich, das gegen ihre Erziehungseignung und Förderbereitschaft spreche. Die Kindesmutter sei bindungstolerant und habe dem Kindesvater Umgänge ermöglicht, obwohl der Träger die begleiteten Umgänge beendet habe. Auch in dem Umgangsverfahren habe sie erneut begleiteten Umgängen zugestimmt. Die Erteilung einer Vollmacht durch den Kindesvater sei mangels ausreichender Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft nicht ausreichend und werde im Übrigen durch den Kindesvater abgelehnt. Prognostisch könne auch nicht ernsthaft erwartet werden, dass sich der Elternkonflikt nur auf einige begrenzte Teile des Sorgerechts auswirken werde. Eine Teilregelung würden den Konflikt zulasten der Kinder verlängern. Da in absehbarer Zeit sorgerechtliche Entscheidungen anstünden, sei die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf die Kindesmutter vorzunehmen.
Familienrechtliche Zeitenwende:
Umgangsausschluss bei häuslicher Gewalt
Ein längst überfälliger Paradigmenwechsel im Familienrecht bahnt sich an: Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) plant weitreichende Gesetzesänderungen, die den Schutz von Kindern und betreuenden Elternteilen bei häuslicher Gewalt erheblich stärken sollen.
Der zentrale Gedanke: Wer Gewalt ausübt – insbesondere gegen den anderen Elternteil – soll künftig nicht mehr selbstverständlich Umgang mit dem gemeinsamen Kind beanspruchen dürfen.
Bisher sieht das Gesetz in der Regel nur dann Eingriffe in das Umgangs- oder Sorgerecht vor, wenn sich die Gewalt direkt gegen das Kind richtet. Wird das Kind jedoch „nur“ Zeuge der Misshandlung eines Elternteils, greift der gesetzliche Schutz bislang oft zu kurz. Genau das soll sich nun ändern.
„Wer seine Partnerin schlägt, muss damit rechnen, dass er sein Kind nicht mehr sehen darf – oder nur im Beisein einer Begleitperson“, so Hubig gegenüber der Funke-Mediengruppe.
Rechtsprechung geht voran – nun soll das Gesetz folgen
Bereits im Jahr 2024 hatte das Oberlandesgericht Frankfurt deutlich gemacht: Die miterlebte Gewalt eines Kindes gegenüber seiner Mutter stellt eine eigenständige Form der Kindesmisshandlung dar – mit weitreichenden familienrechtlichen Konsequenzen. Im entschiedenen Fall wurde das alleinige Sorgerecht der Mutter zugesprochen, da das Kindeswohl andernfalls gefährdet gewesen wäre.
Auch psychische Gewalt – wie schwere Beleidigungen, Demütigungen oder Bedrohungen – soll künftig bei der Beurteilung von Umgangs- und Sorgerechtsfragen eine stärkere Rolle spielen. Die geplanten Gesetzesreformen erkennen damit endlich an, was zahlreiche wissenschaftliche Studien seit Jahren belegen: Gewalt gegen einen Elternteil wirkt sich unmittelbar und massiv auf das seelische Wohl des Kindes aus.
Mietrechtliche Änderungen zum Schutz von Betroffenen
Parallel kündigte die Ministerin auch Reformen im Mietrecht an. Ziel ist es, Betroffenen häuslicher Gewalt einen schnelleren und unkomplizierten Ausstieg aus gemeinsamen Mietverhältnissen zu ermöglichen – auch gegen den Willen des gewalttätigen Partners.
Fazit aus anwaltlicher Sicht
Die geplanten Reformen im Familien- und Mietrecht markieren einen wichtigen Schritt hin zu einem konsequenten Opferschutz. Aus anwaltlicher Perspektive begrüße ich die Entwicklung ausdrücklich – insbesondere im Hinblick auf die oft unterschätzten Auswirkungen häuslicher Gewalt auf Kinder.
Wenn Sie selbst betroffen sind oder rechtlichen Beistand in familienrechtlichen Fragen benötigen, zögern Sie nicht, Kontakt mit meiner Kanzlei aufzunehmen. Sie sind nicht allein.
OLG Frankfurt: Kindeswohl geht vor –
keine „Bestrafung“ der Eltern im Sorgeverfahren
Ein bemerkenswerter Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (Az. 1 UF 186/24 vom 29.01.2025) unterstreicht eine zentrale Leitlinie im Familienrecht: Kinderschutzrechtliche Maßnahmen dürfen nicht der Sanktionierung eines Elternteils dienen – sie müssen sich ausschließlich am Wohl des Kindes orientieren.
Hintergrund: Hochstrittige Trennung – Kinder in Jugendhilfeeinrichtung untergebracht
In dem entschiedenen Fall ging es um drei minderjährige Geschwister im Alter von zwölf, zehn und sieben Jahren. Seit der Trennung der Eltern im Jahr 2022 lebten die Kinder im Haushalt der Mutter. Zwischen den Eltern, die weiterhin das gemeinsame Sorgerecht innehatten, kam es zu wiederholten, intensiven Auseinandersetzungen – insbesondere über den Umgang.
Der Vater warf der Mutter vor, die Kinder gegen ihn zu beeinflussen und beantragte schließlich die Übertragung des alleinigen Sorgerechts. Im Verfahren wurde seitens des Jugendamts die vorübergehende Unterbringung der Kinder in einer Wochengruppe (stationäre Jugendhilfe) vorgeschlagen. Die Mutter lehnte dies strikt ab – woraufhin das Familiengericht beiden Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzog und den Kindern einen Platz in einer Jugendhilfeeinrichtung zuwies.
Die Folge: Die Kinder wurden aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen und konnten ihre Eltern nur noch abwechselnd an Wochenenden sehen.
Das OLG hebt die Entscheidung auf – Rückkehr zur Mutter angeordnet
Das OLG Frankfurt hat diese Entscheidung nun in einem klaren und wegweisenden Beschluss aufgehoben. Die Richter gaben der Beschwerde beider Eltern statt und ordneten die Rückführung der Kinder in den Haushalt der Mutter an. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht wurde wieder auf beide Eltern gemeinsam übertragen.
Zentrale Begründung des OLG:
Die Unterbringung der Kinder in einer Wochengruppe sei unverhältnismäßig gewesen und habe nicht dem Kindeswohl entsprochen. Die Herausnahme der Kinder aus ihrem gewohnten Umfeld habe eine vollständige Entwurzelung bedeutet – inklusive Trennung von der Hauptbezugsperson (der Mutter), Familie, Freundeskreis, Schule und sozialem Umfeld.
Zudem betont das Gericht:
„Kindesschutzrechtliche Maßnahmen dürfen nicht zur Sanktionierung eines Elternteils eingesetzt werden.“
„Selbst wenn das Verhalten eines Elternteils – hier der Mutter – konfliktverschärfend war, ist dies kein legitimer Grund, um Kinder aus ihrem Zuhause zu nehmen.“
Es fehlten empirische Belege dafür, dass eine solche Fremdunterbringung geeignet wäre, eine mögliche Beeinflussung durch einen Elternteil zu neutralisieren.
Meine Einschätzung
Dieser Beschluss ist ein starkes Signal an Familiengerichte und Jugendämter: Das Kindeswohl muss im Mittelpunkt stehen – nicht die elterliche Auseinandersetzung. Maßnahmen dürfen nicht als disziplinarisches Mittel gegenüber einem Elternteil missverstanden oder missbraucht werden.
In meiner Kanzlei erlebe ich immer wieder Fälle, in denen der elterliche Konflikt auf dem Rücken der Kinder ausgetragen wird. Umso wichtiger ist eine konsequente, rechtlich fundierte und kindzentrierte Vorgehensweise.
Wenn Sie sich in einer ähnlichen Situation befinden oder rechtlichen Beistand brauchen, stehe ich mit Ihnen mit jurischer Expertise und Einfühlungsvermögen zur Seite. Vertraulich. Klar. An Ihrer Seite.